Rechtsprechungsreport zum Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht

Rechtsprechungsreport zum

Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht

 

 

Vortäuschen einer Straftat bei angezeigtem Diebstahl

statt tatsächlicher Fundunterschlagung?

 Sachverhalt:

Das Amtsgericht und das Landgericht haben den Angeklagten wegen Vortäuschens einer Straftat verurteilt. Der Angeklagte erstattete auf einer Polizeidienststelle wider besseren Wissens eine Anzeige mit der Behauptung, dass ihm sein Smartphone in der Straßenbahn gestohlen worden sei. Tatsächlich hatte er das Smartphone bereits Wochen zuvor in einem Strip-Club verloren. Noch am selben Tag hatte es dort ein Dritter aufgefunden, an sich genommen und in der Folgezeit benutzt.

 

Der Angeklagte hatte gegen das Urteil des Landgerichts Revision eingelegt. Diese war erfolgreich.

 

Entscheidung:

Das OLG Bamberg als Revisionsgericht war der Auffassung, dass das festgestellte Verhalten des Angeklagten nicht den Straftatbestand des Vortäuschens einer Straftat nach § 145 d Abs. 1 Nr. 1 StGB erfülle. Zweifelsohne habe der Angeklagte einen nach Tatzeit, Tatort und Begehungsweise völlig anderen historischen Sachverhalt vorgetäuscht als tatsächlich geschehen. Allerdings fehle es an dem von der Rechtsprechung geforderten gravierenden Ungleichgewicht der beiden Taten. Voraussetzung für das Vortäuschen einer Straftat ist, dass eine tatsächlich begangene Tat durch die Anzeige ein im Kern anderes Gepräge erhält, was aufgrund einer am geschützten Rechtsgut und dem Unrechtsgehalt orientierten Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist. Zu diesen zählt insbesondere auch, ob aufgrund der vorgetäuschten Tat gegenüber dem wahren Sachverhalt ein nicht unwesentlicher unnützer Ermittlungsaufwand betrieben worden ist.

Dieses gravierende Ungleichgewicht der beiden Taten sei vorliegend nicht gegeben. Sie beziehen sich auf dasselbe Tatobjekt und sind auch von ihrem Unrechtsgehalt nicht völlig unterschiedlich zu bewerten.

 

Das geschützte Rechtsgut sei dasselbe und der Täterwille sei durch eine gleichgeartete, eigene Sachherrschaft erstrebende Missachtung fremden Eigentums gekennzeichnet. Entscheidend komme hinzu, dass die Ermittlungsbehörden vorliegend wegen der vorgetäuschten Sachdarstellung nicht zu unnötigen und aufwendigen Mehrermittlungen in erheblichem Maße veranlasst wurden.

OLG Bamberg, Beschluss vom 29.03.2018 -2 OLG 120 Ss 119/17

 

 

Wohnungsdurchsuchung und (kein) Beweisverwertungsverbot

Sachverhalt:

Die Wohnung des Angeklagten wurde zunächst gegen 23:30 Uhr aufgrund eines Feueralarms von Polizei und Feuerwehr aufgebrochen. Es bestand von außen der begründete Verdacht, dass es in der Wohnung brennt. Die Polizei fand beim ersten Betreten der Wohnung niemanden vor, allerdings sogleich unzählige Pilze und in einem geöffneten Reisekoffer eine unüberschaubare Menge von Substanzen, bei denen es sich mutmaßlich um Cannabis handelte. Auch in einem zweiten Reisekoffer wurden nach dessen Öffnung verschiedene größere abgepackte Tüten mit Betäubungsmittel suspekten Substanzen gesichtet. Nach Rücksprache mit dem Dienstgruppenführer wurde die Wohnung bis zum nächsten Morgen bewacht.

 

Um 7 Uhr wurde dann das Rauschgiftdesonat vom Sachverhalt in Kenntnis gesetzt und nahm telefonische Rücksprache mit dem zuständigen Staatsanwalt. Nachdem dieser vergeblich versucht hatte, telefonisch einen Ermittlungsrichter zu erreichen, ordnete er um 7:50 Uhr mündlich die Durchsuchung der Wohnung wegen Gefahrenverzug an. Dies wurde von der Kriminalpolizei dokumentiert. Um 08:20 Uhr wurde die Wohnung von der Kriminalpolizei aufgesucht und mit der Durchsuchung um 08:40 Uhr begonnen. Dabei wurden zahlreiche Betäubungsmittel und weitere Beweismittel sichergestellt.

Ab 08:40 Uhr wäre üblicherweise ein Ermittlungsrichter erreichbar gewesen.

 

Entscheidung:

Die Verteidigung machte ein Beweisverwertungsverbot geltend, so dass die sichergestellten Beweismittel nicht hätten im Urteil verwertet werden dürfen. Der BGH sah dies anders. Ein Verstoß gegen den Richtervorbehalt und damit ein Beweisverwertungsverbot komme nur dann in Frage, wenn dieser bewusst missachtet oder seine Voraussetzungen in gleichwertig grober Weise verkannt wurden. Dagegen spreche bereits, dass der Staatsanwalt vergeblich versucht habe, einen Ermittlungsrichter telefonisch zu erreichen. Zudem wäre die hier gegebene Fortsetzung einer zunächst gefahrenabwehrrechtlich zulässigen Wohnungsöffnung und

–durchsuchung, bei der die meisten Beweismittel schon gesichtet wurden, ohnehin ein Verstoß minderen Gewichts.

BGH, Beschluss vom 27.11.2018 -5StR 566/18

 

 

Der Entscheidung ist nicht zuzustimmen. Die Ermittlungsbehörden hatten zunächst die ganze Nacht mit der weiteren Durchsuchung gewartet. Es ist deshalb nicht nachvollziehbar, weshalb plötzlich am Morgen „Gefahr in Verzug“ vorgelegen haben soll. Weshalb die Staatsanwaltschaft nicht erneut um 08:30 Uhr versucht hat, einen Ermittlungsrichter anzurufen, wurde nicht dokumentiert.

 

Dies spricht unserer Auffassung danach, dass bewusst der Richtervorbehalt umgangen worden ist.

 

Richtigerweise hätte deshalb ein Beweisverwertungsverbot angenommen werden müssen.

 

 

Fahreridentifizierung anhand eines Lichtbildes

Der Betroffene war wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden. Er hatte seine Fahrereigenschaft gegenüber dem Amtsgericht bestritten.

 

Gegen die Entscheidung hat er Rechtsbeschwerde eingelegt.

 

Das Amtsgericht hatte auf die Lichtbilder von dem Verkehrsverstoß Bezug genommen. Hierdurch konnte sich das Beschwerdegericht die Lichtbilder anschauen.

 

Das Beschwerdegericht hat dabei die Qualität der Lichtbilder beanstandet. Diese seien unscharf und kontrastarm. Es seien nur flache und kaum erkennbare Gesichtskonturen abgebildet. Die Körnung der Aufnahme sei grob und die Stirnpartie der abgebildeten Person sei durch eine Spiegelung auf der Windschutzscheibe teilweise verdeckt.

 

Die Feststellungen des Amtsgerichts, weshalb es dennoch von der Fahrereigenschaft des Betroffenen ausgehe, würden sich in der allgemein gehaltenen Benennung von Merkmalen des Betroffenen, die auf den vorgenannten Lichtbildern nicht erkennbar seien, erschöpfen.

Kammergericht, Beschluss vom 01.08.2017 -162 Ss 88/17.

 

Hier hatte das Amtsgericht zwar zutreffend auf das von dem Verkehrsverstoß gefertigte Lichtbild Bezug genommen. Es hatte sich aber dann nicht ausreichend mit der Qualität des Lichtbildes auseinandergesetzt. Dies hat das Kammergericht hier moniert und dementsprechend das Urteil aufgehoben.

 

 

Medikamentenklausel bei der Drogenfahrt

Sachverhalt:

Der Betroffene ist wegen einer Drogenfahrt nach § 24 a Abs. 2 StVG verurteilt worden. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hatte sich der Betroffene mit einem Geständnis eingelassen, jedoch geltend gemacht, es habe sich um medizinisch verordnetes Cannabis gehandelt, weshalb er glaube, dass er insoweit berechtigt Autogefahren sei.

 

Nach den Ausführungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen mache es für die Drogenintoxikation aufgrund Cannabis mit entsprechenden Ausfallerscheinungen keinen Unterschied, ob es sich um illegal erworbenes Marihuana oder zu medizinischen Zwecken verordnetes handelt, da es sich um den gleichen Wirkstoff handelt. Auf dieser Grundlage war das Amtsgericht der Meinung, dass es vollkommen unbedeutend sei, ob der Betroffene Marihuana sich auf dem Schwarzmarkt besorgt hat oder ob er medizinisch verordnetes Marihuana konsumiert hatte.

 

Entscheidung:

Das Oberlandesgericht hat die Erwägungen des Amtsgerichts als lückenhaft angesehen. Soweit der Tatrichter gemeint habe, sich mit dem Vorbringen des Betroffenen, wonach es sich bei dem von ihm eingenommenen Cannabis um medizinisch verordnetes gehandelt habe, nicht weiter befassen zu müssen, da er in keinem Fall ein Kfz habe führen dürfe, offenbare dies ein rechtsfehlerhaftes Verständnis der sogenannten Medikamentenklausel nach § 24 a Abs. 2 S. 3 StVG.

 

Die bußgeldrechtliche Handlung einer Drogenfahrt scheidet aus, wenn die im Blut des Betroffenen nachgewiesene Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt, das heißt der Einfluss der Substanz allein auf der Einnahme der aus der ärztlichen Verordnung vorgegebenen Dosierung und auch nicht auf einer sonstigen missbräuchlichen Verwendung beruht.

 

Hat der Betroffene sich deshalb dementsprechend eingelassen, so muss sich das Tatgericht hiermit näher befassen, sofern es nicht von einer reinen Schutzbehauptung ausgeht.

OLG Bamberg, Beschluss vom 02.01.2019 -2 Ss OWi 1607/18.

 

Halten eines elektronischen Gerätes als Benutzung

Das Amtsgericht hatte festgestellt, dass der Betroffene im öffentlichen Straßenverkehr mit einem Pkw gefahren war und während der Fahrt ein Mobiltelefon „benutzte, indem er dieses in seiner Hand hielt“.

 

Weitere Feststellungen hatte das Amtsgericht nicht getroffen. Das Amtsgericht war der Auffassung, dass bereits das bloße Halten des Mobiltelefons den Tatbestand nach § 23 Abs. 1 a StVO n.S. erfülle und hat den Betroffenen daher dementsprechend verurteilt.

 

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte Erfolg.

 

Nach Auffassung des OLG Celle begeht der Führer eines Kraftfahrzeugs allein durch das Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Gerätes, dass der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, während der Fahrt keinen Verstoß gegen § 23 Abs. 1 a StVO.

 

Vielmehr müsse über das bloße Halten hinaus eine Benutzung des elektronischen Geräts hinzukommen.

 

Die andere Auffassung (z.B. OLG Oldenburg) sei nicht mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar.

OLG Celle, Beschluss vom 07.02.2019 -3 Ss (OWi) 8/19.

 

 

Anwesenheitsrecht des Angeklagten

Dem Anwesenheitsrecht des Angeklagten in der Hauptverhandlung kommt nach der Rechtsprechung ein sehr hoher Stellenwert zu.

 

Im vorliegenden Verfahren wurde der Angeklagte vor der Vernehmung einer Geschädigten für die Dauer dieser Vernehmung aus dem Sitzungssaal entfernt. Dies ist nach § 247 S. 1 StPO zwar möglich.

 

Allerdings ist die Entfernung dann auch auf die Vernehmung beschränkt.

 

Im vorliegenden Falle wurde während der Vernehmung der Geschädigten ein Brief der Zeugin „von der Zeugin in Augenschein genommen und durch den Vorsitzenden verlesen“. Anschließend kam der Angeklagte zurück in den Saal und erklärte auf Befragen, dass er keine weiteren Fragen an die Zeugin habe.

 

Dieses Verfahrensgeschehen hat der BGH beanstandet und entschieden, dass dieses das Anwesenheitsrechts des Angeklagten verletzt habe.

 

Eine andere Beweiserhebung wie eine Urkundenverlesung dürfe nicht vorgenommen werden, während der Angeklagte aus dem Sitzungszimmer entfernt sei.

 

Da hier während der Vernehmung der Zeugin auch der Brief, das heißt eine Urkunde verlesen wurde, wurde dessen Anwesenheitsrecht verletzt.

 

Es lag deshalb der absolute Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5 StPO vor.

 

Das Urteil wurde deshalb vom BGH aufgehoben und muss nunmehr neu verhandelt werden.

BGH, Beschluss vom 11.12.2018 -2 StR 250/18

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